Perspektive
Welche anderen Mittel kann es geben, eine Demokratie im ursprünglichen Sinne einer Volksherrschaft zu verwirklichen?
Wenn man ohne Scheuklappen denkt, dann könnte man berechtigterweise sogar meinen, dass auch eine Monarchie oder gar Diktatur eine Volksherrschaft darstellen könnte, und zwar so lange, wie der Herrscher tatsächlich den Willen des Volkes umsetzt. Sobald der Herrscher eigene Interessen oder die einer Machtclique vertritt, ist es dann aber aus mit der Volksherrschaft.
Wir sehen, dass die hier beispielhaft aufgeführten Mittel zur Machtverteilung innerhalb einer Gesellschaft, sei es (repräsentative) Demokratie oder autoritäre Herrschaft, sich gar nicht so sehr unterscheiden.
Beide verteilen die Macht über das – gesamte – Herrschaftsfeld, also das gesamte Volk, und beide sind bereits von bestehenden Machtstrukturen vorbestimmt bzw. werden von diesen ausgenutzt.
Wir sehen, dass das eigentliche Problem nicht in dem verwendeten Mittel zur Herstellung (angeblicher) Volksherrschaft liegt (dieses ist beliebig korrumpierbar), sondern in der Tatsache, dass Herrschaft zentriert über das gesamte Volk ausgeübt wird.
Der Lösungsansatz für dieses grundlegende gesellschaftliche Machtproblem ist ein Zustand der gebrochenen Herrschaft. Das heißt, dass die Machtpyramide nicht von oben nach unten durchgängig verläuft, sondern in einer Gesellschaft immer wieder gebrochen wird. Diese Brüche können und sollen vertikal (in der Hierarchieebene) und horizontal (regional) erfolgen. Sie müssen auf allen Ebenen des gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Handelns erfolgen.
Durch die Aufsplitterung auf viele kleine Herrschaftsebenen und -bereiche verringert sich die Möglichkeit von zentralen Machtstrukturen, alle diese Herrschaftsbereiche zu korrumpieren. Es ist auch nicht mehr vorrangig wichtig, mit welchen Mitteln innerhalb eines Herrschaftsbereiches Volksherrschaft realisiert wird. In so kleinen Einheiten kann (repräsentative) Demokratie genauso funktionieren, wie regional gewachsene Stammesstrukturen. Im globalen Rahmen verfolgen ja auch die BRICS diesen Ansatz bezüglich von Nationalstaaten, warum soll das Prinzip nicht auch – innerhalb – von Nationalstaaten funktionieren.
Grundvoraussetzung ist allerdings die Selbstermächtigung der regionalen Herrschaftsbereiche.
Zum Verständnis ist es zunächst wichtig, Selbstermächtigung von Subsidiarität abzugrenzen.
Subsidiarität, also bspw. die Bereiche kommunaler Selbstverwaltung, ist immer von außen zugestanden, also innerhalb eines übergeordneten Herrschaftskontextes „erlaubt“. Sowohl der Machtbereich als auch die Machtfülle ist vorgegeben.
Selbstermächtigung hingegen definiert einen eigenen Herrschaftsbereich, und zwar bezüglich des Umfangs und des Inhaltes. Selbstermächtigung wird nicht von außen vorgegeben, sondern von den kleinsten Einheiten einer Gesellschaft von unten nach oben realisiert. Herrschaft organisiert sich nur und ausschließlich innerhalb des selbstermächtigten Bereichs nach den eigenen gewählten Regeln.
Die kleinste Einheit einer Gesellschaft ist der einzelne Mensch. An ihm liegt es zunächst, sich selbst zu ermächtigen und zu bestimmen, was und inwieweit er es für sinnvoll hält, Macht an andere, übergeordnete Strukturen abzugeben.
Die nächsthöhere Einheit ist die Gemeinde oder Region. Dies ist für ein künftiges Staatsgebilde wohl die interessanteste Ebene, denn dort wird entschieden, nach welche Regeln politisches Leben abläuft, wie Herrschaft verteilt wird und welche Sachgebiete eigenverantwortlich
organisiert und welche auf höhere Ebenen delegiert werden, auch – wie – auf höhere Ebenen delegiert wird.
Die weiteren Ebenen organisieren sich entsprechend ihrer überregionalen Aufgaben und den Ressourcen, die von den tragenden „unteren“ Ebenen bereit gestellt werden.
Um es klar zu sagen: Jeder Mensch entscheidet selbst, was er der regionalen Gemeinschaft beisteuern kann und jede regionale Gemeinschaft entscheidet selbst, was sie an andere Herrschaftsebenen delegiert. Und diese Abtretung von Herrschaft ist jederzeit rückgängig zu machen.
Aus der Vogelperspektive gesehen ergibt sich so ein organisches Gesellschaftsmodell der Selbstorganisation (in Kontrast zu den bisherigen Modellen, die auf zentrale Kontrolle ausgerichtet sind).
Vergleichbar einem menschlichen Organismus, der aus unzähligen Bestandteilen (Zellen, Mikroben, Molekülen, elektrischen Impulsen) besteht, die aber im Sinne des Organismus abgestimmt handeln, ohne dass ein einzelner Bestandteil um das große Ganze weiß.
Wir sollten einen Versuch wagen und ganz konkret, vor Ort damit anfangen.
Grundlage sind Netzwerke, wie es bspw. „Rosenheim steht auf“, aber auch viele andere Initiativen darstellen. Diese Netzwerke erlauben Kontaktaufnahme Interessierter und bilden die Grundlage für die Entwicklung regionaler Projekte und Strukturen.
Dies sind die Keimzellen, die den Geist der Selbstermächtigung realisieren und sowohl für eine evolutive als auch eine disruptive Entwicklung unserer künftigen Gesellschaft die Saat für ein organisches, menschliches und selbstbestimmtes Leben nach dem Ende der totalitären
Herrschaft legen.
Für weitere Ideen auch zur praktischen Umsetzung sei auf das Regionalkonzept von „Rosenheim steht auf“ sowie auf ein grundsätzliches Essay zur „Regional Governance“ verwiesen (Links auf unserer Website)
Die Zeit ist reif.
RSA für „Rosenheim steht auf“